Warum die Esslinger „Zwiebel” heißen

Lange ist es her, da machte der Teufel einmal einen Besuch in Esslingen am Neckar.
Er spazierte durch die Stadt und trieb so manchen bösen Schabernack mit den
ehrbaren Esslinger Bürgern.
Der Teufel kam auch auf den Marktplatz, wo gerade Markt abgehalten wurde.
Der Teufel staunte nicht schlecht, was da alles feilgeboten wurde:
Rettich, Kopfsalat und Blumenkohl, Birnen, Zwetschgen und ganz besonders schöne
rotbackige Äpfel. Es gelüstete ihn sehr, einen solchen Apfel zu versuchen.
So trat er an einen Stand heran und sagte inschmeichelndem Ton:
„Da habt Ihr aber schöne Äpfel, gute Frau. Wollt Ihr einen hungrigen und
durstigen Fremden nicht davon versuchen lassen?“
Da hatte sich der Teufel aber getäuscht, wenn er geglaubt hatte,
einer Esslinger Marktfrau könne man mit solchen Sprüchen imponieren.
Die war sowieso viel schlauer als all die ehrbaren Bürger,
die ihm zuvor auf den Leim gegangen waren.
Sie hatte nämlich aus der eleganten Hose des Fremden einen Pferdefuß
hervorschauen sehen. Auch hatte ihre Nase einen Hauch von Schwefel vernommen.
Deshalb war sie auf der Hut. Sie sagte aber ganz höflich:
„Das freut mich, daß Euch meine Äpfel so gefallen. Probiert nur einmal,
wie saftig sie sind.“ Und damit griff sie in den Korb, der neben ihr stand
und reichte ihm eine Frucht. Kaum hatte er voller Gier hineingebissen,
da verzog er auch schon das Gesicht und schüttelte sich voller Abscheu.
Die listige Marktfrau hatte ihm nämlich statt des Apfels
eine schöne saftige Zwiebel gegeben.
„Das sollen Eure Äpfel sein! Spott über euch Esslinger!”
schrie der Teufel in seiner Wut.
„Zwiebel sind es, scharfe Zwiebel! Und deshalb sollt Ihr künftig nicht mehr
Esslinger heißen, ihr stolzen Reichstätter, sondern Zwiebel!”
Sprach’s und verließ eilends und voller Zorn den Esslinger Wochenmarkt.
Andere Marktleute erzählten nachher, er sei durch das Mettinger Tor entschwunden,
Stuttgart zu. Wieder andere behaupten, er habe sich in Stuttgart niedergelassen
und regiere dort heute noch.
In Esslingen jedoch hat sich der Teufel nie mehr sehen lassen.